Teilprojekt Bildungssprache (KoKo) - Projektbeschreibung

 

Vor dem Hintergrund globaler Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, zunehmender Mobilität und der damit verbundenen Mehrsprachigkeit sowie allgegenwärtigem Sprachkontakt vor allem in rural geprägten Grenzgebieten wie Südtirol wird hohe Sprachkompetenz als Voraussetzung für einen erfolgreichen Berufseinstieg diskutiert. Dieses Thema verlangt jedoch noch nach wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen als Grundlage für konkrete und gezielte Maßnahmen, die für die Sprach- und Bildungspolitik im Allgemeinen und die Sprachdidaktik im Speziellen dringlich erscheinen.

Sprachkompetenzen – dazu zählen neben Kompetenzen in ein, zwei oder mehreren Fremdsprachen ganz besonders Kompetenzen in der Erstsprache – gehören zu den Schlüsselkompetenzen zunächst in der Ausbildung und schließlich im Beruf. Ein Hauptbezugspunkt für die Bewertung der Sprachkompetenz von SchülerInnen und StudentInnen sind geschriebene Texte. Die schriftliche Ausdrucksfähigkeit gilt als Voraussetzung für den Erfolg in der Schule, im Studium und im Beruf. Die Kriterien zur Bewertung von Sprachkompetenzen, d.h. dessen, was sprachlichen Normen und Konventionen entspricht, verändern sich genauso wie die Sprache selbst. Sprachwandel ist ein natürlicher Prozess, der selbstverständlich auch die plurizentrische deutsche Sprache betrifft, die in mehr als einem Land bzw. in grenzüberschreitenden Gebieten als Alltags-, Bildungs- und Wissenschaftssprache unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Vielschichtige Entwicklungen und Besonderheiten im Sprachgebrauch in verschiedenen Kontexten, häufig verbunden mit Aussagen über sprachliche Defizite, bedürfen daher hoher Aufmerksamkeit. Ganz besonders betroffen sind dabei marginale und stark dialektgeprägte Gebiete. Bislang gibt es allerdings nur spekulative Äußerungen über die Verteilung der Sprachkompetenzen von SchülerInnen und StudentInnen im deutschen Sprachraum, insbesondere über die Sprachkompetenzen in Südtirol.


Ein Ziel des Projekts liegt daher darin, schriftliche Äußerungen von Schülern zu erfassen, eine wissenschaftlich fundierte Basis für deren Analyse zu schaffen und auf dieser Grundlage fundierte Aussagen über die Sprachkompetenzen bei Lernenden mit Deutsch als Erstsprache in Süd- und Nordtirol sowie im binnendeutschen Raum auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen zu treffen. Bislang fehlen umfassende empirisch und wissenschaftlich gesicherte Vergleichsstudien zur Frage, ob die Lernenden ein unterschiedliches Sprachverhalten aufweisen und in welchen sprachlichen Bereichen sich diese Unterschiede möglicherweise niederschlagen.  Es besteht nicht nur ein Mangel an Kenntnissen über die Sprachkompetenzen bei muttersprachlichen Deutschlernenden an der Schnittstelle Oberschule-Universität, sondern auch an Kenntnissen über sprachsoziologische Bedingungen, die die Kompetenzverteilung beeinflussen.
Ein weiteres Ziel des Projekts liegt im technologischen und dokumentarischen Bereich. Hierbei soll ein digitales Lernerkorpus aufgebaut werden, da
s nicht nur als Datengrundlage für dieses Projekt dienen soll, sondern auch für Folge- und Langzeitstudien zu Verfügung stehen wird. Mit erprobten computer- und korpuslinguistischen Methoden wird die langfristige Sicherung der Daten und deren Metadaten in der bereits bestehenden Korpusinfrakstruktur gewährleistet. Darüber hinaus wird momentan ein innovatives System zum Varietätenvergleich (Vis-À-Vis) entwickelt, das die linguistische Arbeit zur Abfrage und Auswertung der Daten erleichtern wird.


Im Laufe des Projekts wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen ExpertInnen aus unterschiedlichen Forschungsbereichen eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden angewandt. Mit einer qualitativen Herangehensweise wird eine linguistische Kompetenzanalyse von schriftlichen Produktionen anhand eines zu entwickelnden Analyseschemas auf der Grundlage eines festgelegten Sprachkompetenzmodells mit manuellen Korpusanfragen durchgeführt. Mit korpuslinguistischen, statistisch orientierten Verfahren werden zum einen vollautomatische Analysen durchgeführt, zum anderen liefert ein System mit weiter- und neuentwickelten Werkzeugen halbautomatische Analysen als Vorarbeit zur manuellen linguistischen Feinanalyse. Durch die automatisierte Verknüpfung von Sprachproduktionsdaten und Metadaten zu sprachsoziologischen Variablen werden zudem quantitativ-statistische Auswertungen zu Zusammenhängen zwischen Leistung und sprachsoziologischen Bedingungen möglich.


Der Überblick über die aktuelle Forschungslandschaft zeigt, dass das Projekt inhaltlich und methodisch auf eine Reihe von Desideraten bzw. Forschungslücken reagiert, die von internationalem Belang und zugleich von südtirolspezifischem Interesse sind. Das gewählte Partnerschaftskonsortium verbindet die zur Durchführung des Projekts nötigen Kompetenzen und führt zudem zu einer Stärkung des bereits bestehenden Forschungsnetzwerks.
Die Ergebnisse des Projekts werden wissenschaftlichen (in Bezug auf Sprachwissenschaft, Kompetenzforschung, Kontaktlinguistik, Erziehungswissenschaften, Computerlinguistik, Korpuslinguistik) sowie didaktischen (Schul- und Universitätsdidaktik; Verbesserung der Aus- und Fortbildung von Sprachlehrenden), aber auch sprach- und bildungspolitischen Zwecken zugute kommen und sind daher für Südtirol sowie auch darüber hinaus von unschätzbarem Wert. Für eine angemessene Verbreitung der Ergebnisse sorgen neben einer regelmäßigen Öffentlichkeitsarbeit und Vortragstätigkeit ein allgemein zugänglicher Internetauftritt und eine Abschlusspublikation.

 

Für dieses Projekt besteht ein bilaterales Rahmenabkommen der folgenden Institutionen: